aller et retour (there and back again)

Cpt. Bazut Morelle…
Ex-Legionär, Ex-GIGN….
erwachter Magie-Adept, Königsmörder…
Combat-Mage, AIM-Offizier…
Ex-Killer, Ex-Sniper…
Witwer…
Vater…
Bei den vielen Rollen, die Régicide ausfüllen musste oder muss, ist die Letzte eine der Rollen, die für ihn am schwersten zu tragen ist, vor der er sich aber niemals versteckt hat oder versucht, sich aus ihr zurück zu ziehen.
Nach der Rettung von der Shigeruu ist es die Rolle, die für diesen Moment sein ganzen Wesen bestimmt. In Finistère angekommen wird er sich nicht aufhalten lassen, es gibt etwas, was er tun muss und man wird ihn nicht aufhalten. Es ist ihm anzusehen, dass er hoch angespannt, fast schon manisch ist und nur eine Akt extremster Willensanstrengung dafür sorgt, dass er seine Fassung bewahrt.
Bei der ersten Gelegenheit, noch auf dem Flug, hat er zwei kurze, digitale Nachrichten über die Matrix versendet, in Finestère angekommen sucht er ein Schließfach auf und aktiviert das bis dahin ungenutzte Burner-Telefon. Das folgende Telefongespräch wird alles entscheiden. Wenn die Vorkehrungen, die er mit seiner Tochter eingeübt hat, erfolgreich waren, wird sich das nun zeigen. Wer wählt und legt das Handy ans Ohr, diverse Codewörter gehen ihm durch den Kopf, was wird er hören…wird er überhaupt etwas hören?
„Mon petit ange, m’entends-tu?“

Es dauert eine Weile, bis sich tatsächlich jemand am anderen Ende des Telefons meldet. Die Stimme wirkt entfernt und immer wieder rauscht und hakt es, als sei die Verbindung sehr brüchig:
„Bale?“ – „Ja?“
Eine hohe Stimme, aber eher von einem Mann, nimmt den Anruf entgegen. Sie spricht Farsi. Das war möglicherweise unerwartet. Ein langer Moment der Stille. Was tun? Was jetzt? Grade als Régicide seine Gedanken gesammelt hat, spricht die Stimme weiter auf Farsi:
„Sie ist in Sicherheit, in einem Versteck. Es geht ihr gut, sie ist unverletzt. Wir sind in Ankara. Wo soll ich sie hinbringen?“
Die Stimme wirkt ruhig, fast unbeteiligt. Als erinnere sie sich an etwas, fügt sie noch an: „Sie möchte Eis essen gehen.“
Das ist ein Code, wie Régicide weiß. Es geht ihr gut, aber sie möchte Papa schnell sehen. Hätte sie Pizza gewollt, wäre das schlecht gewesen. Hénora hasst Pizza, wegen dem Käse.
Régicide überlegt nicht lange, sein Farsi ist ein wenig eingerostet, aber es genügt für eine einfache Antwort: „Marseille ist schön um diese Jahreszeit, macht euch direkt auf den Weg! Sie kann mich wie abgesprochen erreichen, sobald ihr da seid“

„Und sag ihr, dass es hier das beste Eis gibt (Ich komme und hole dich)“
Er informiert den Rest des Team, zumindest den Teil, der ansprechbar ist. Vieleiche würde einer der Freunde ihn begleiten.
Er miete sich ein Auto, Finestère-Marseille, das ist eine Strecke von wenigen Stunden.
Am Flughafen von Marseille kommt es dann zu einer denkwürdigen Begegnung. Régicide trifft auf einen großgewachsenen Ork mit dunkler Haut und Glatze, gekleidet in einem feinen, grauen Nadelstreifen. Seine Stimme aber ist kindlich hell und klingend. Régicide hat sofort das seltsame Gefühl, das erste Mal in seinem Leben einem echten Eunuchen gegenüber zu stehen.
Aus einem Metallkoffer überreicht er Régicide eine handgroße Messingflasche, die von bunten Glaseinlagen schimmert, durch die das Licht hindurch seinen Weg findet. Chinesisches Kunsthandwerk, wie es scheint. Verschlossen ist die Flasche mit einem verschmolzenem Propf aus Plastik. Überhaupt sind einige Gebrauchsspuren zu erkennen, auch Flecken von Feuer. Respektvoll überreicht er die Flasche mitten im belebten Terminal an Régicide. Die ankommenden Gäste strömen noch aus der Gepäckkontrolle. Die Flasche ist leicht und offenkundig leer. Oder vielleicht auch nicht.

Der Eunuch neigt den Kopf:
„Kinder müssen beschützt werden.“
Mehr weiß er nicht zu sagen. Vielleicht wird Régicide unmittelbar im Terminal die Flasche öffnen. Vielleicht wird er sie arkan betrachten und sehen, dass die Flasche sich dem arkanen Blick entziehen will. Sie erscheint profan, wenn man nicht bereits eine Ahnung hätte… Vielleicht wird Régicide den Eunuchen mitnehmen auf die Toilette oder in einen der Ruheräume am Flughafen, um sie gemeinsam zu öffnen.

Früher oder später öffnet sich der Korken mit einem lauten „plopp“ und hervor springt ein Nebel aus bunten Farben, als würden eine handvoll Kinder in Indien zum Holi-Fest mit dem bunten Pulver mächtigen Schabernack treiben. Der Nebel legt sich auf Oberflächen ringsum, lebendig formt er Gestalten. Einem Kinderzimmer gleich tauchen große Stofftiere auf, eine Eisenbahn, ein Raumschiff, Fabelwesen, Manga-Figuren (ironischerweise auch eine kleine Miru), Tiere und Puppen. Was auch immer Hénora ins Herz geschlossen hatte und mitnehmen wollte – und noch einiges mehr! Rasch zerfällt das wundersame Kinderzimmer wieder zu Staub und zurück bleibt Régicides Tochter, die ihm sofort um Hüfte und Hals fällt:

„Papa, papa! Tu ne vas pas le croire! Der Tempel wurde überfallen und Mama hat mich in eine echte Dschinn-Flasche verzaubert! Ämm… Atra, meine ich! Und in der Flasche waren Geschichtenerzähler! Papa, ich habe Dich vermisst!“

Gekleidet ist Hénora in einem chinesischen, traditionellem Cheongsam, schön bunt, für Kinder gemacht. Sie hat wenig Habe dabei. Ein Stofftier, einen Kinderrucksack, aber nicht viel mehr. Hunger musste sie wohl nicht leiden und langweilig war ihr auch nicht gewesen. Sie wirkt lebendig. Höchstwahrscheinlich wurde sie in der Flasche vor allzu verstörenden Erlebnissen verschont.
Der Eunuch, der scheinbar eine Schuld zu begleichen hatte, geht alsdann unbeeindruckt seiner Wege. Mehr hatte er nicht zu überbringen.

Mit seiner Tochter auf den Arm verlässt Bazut den Flughafen. In seinem Kopf hat sich, für ihn überraschend, einiges sortiert.
Es gibt keine Zufälle….
Schicksal bedeutet nichts anderes als die Entscheidungen zu akzeptieren, die man getroffen hat…
Niemand wird für ihn entscheiden, was das Richtige ist…

Hénora erklärt ihn die vielen, interessanten Dinge, die sie in ihrer Flasche erlebt hat, während er sie in ihren Kindersitz schnallt. Dann meldet sein Telefon, eine Nachricht von Copper.
1700?…ist das Machbar…?
Er tippt eine Antwort: „Vielleicht verspäte ich mich ein wenig“
Dann blickt er zur Seite: „Schaffen wir das?“