Was geht vor in Dahomey?

06. Oktober 2073

Dahomey kommt nicht zur Ruhe.

Was vor gut zehn Tagen mit Gerüchten über gewaltsame Auseinandersetzungen am Tawani-See begonnen hatte, entwickelte sich seitdem zu einer ausgewachsenen Krise in dem sonst so vorbildlichen Staat in Westafrika. Miles Kane berichtet direkt aus Moskuwa.

„Trotz Nachrichtensperre und Matrixzensur ist es uns gelungen eine stabile Verbindung zu unseren Zuschauerinnen und Zuschauern in aller Welt aufzubauen. Wir berichten hier unter einer schweren Arbeitsbedingung. Wie lange die Verbindung toleriert wird ist ungewiss. Sicher ist, dass die Berichte von gewaltsamen Übergriffen am Tawani-See nicht abreißen. Augenzeugen wollen Vertreibungen, Flüchtlingszüge und verwaiste Dörfer entlang der Ostseite des Sees gesehen haben. Ganze Familien und Siedlungen hatten sich nach Osten aufgemacht, in die sogenannte „Graue Zone“, einem völkerrechtlich umstrittenen Gebiet zwischen Nigeria und Dahomey.

Mittlerweile wird aber auch von ersten Rückkehrern berichtet, die ihre Häuser wieder beziehen. Mutmaßlich um Plünderungen vorzubeugen oder der kriminellen Gewalt nigerianischer Banden zu entgehen. Berichte von Massenmorden konnten bisher nicht bestätigt werden. Bilder von zahlreichen Leichenfunden wurden durch Nigeria lanciert, eine Überprüfung ist aber auch hier unmöglich.

Klar ist: es treffen zwei harte Gegenpositionen aufeinander. Nigeria führt weiterhin Berichte über Angriffe offizieller Kräfte aus Dahomey gegen Minderheiten in der Grenzregion an sowie eine wohl als gesichert geltende Tötung von Mitarbeitern einer nigerianischen Wahlkampagne. Dahomey beruft sich hingegen auf ein illegales Vordringen nigerianischer Truppen in die eigentlich entmilitarisierte Graue Zone und wirft dem Nachbarstaat gezielte Destabilisierung durch kriminelle Banden vor. Denen sagt man enge Verbindungen zur politischen Elite in Nigeria nach. Dahomey befürchtet hier eine bewusste Gefährdung der anstehenden Wahlen im Seegebiet. Trotz Drängen der Afrikanischen Union und Weltgemeinschaft wurde bisher keine unabhängige Autorität im Krisengebiet zugelassen.

Staatliche Berichterstatter aus Dahomey teilen indes mit, dass man am Tawani-See mehr als einhundert Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, um örtliche Gewaltakte zu verfolgen und aufzuklären. Gesucht wird nach kriminellen Gewalttätern, die an den örtlichen Vertreibungen und Plünderung beteiligte gewesen sein sollen. Einblicke in Fahndungsmaterial belegen dies scheinbar.

Jedoch, problematisch ist und bleibt, dass Dahomey an der massiven Matrixzensur festhält. Dafür erntet das Land derzeit schärfste Kritik. Heute wurde bekannt, dass die Corporate Court Matrix Authority (CCMA) bereits am 02. Oktober eine geheime Mahnung und Sanktionsandrohung an Dahomey übermitteln ließ. Darin wird Dahomey bis zum 08. Oktober eine Frist gesetzt, die Matrixzensur aufzuheben, unabhängigen internationalen Beobachtern der CCMA Zugang zu den Datenzentren des Landes zu gewähren und die Aufklärung der Genozidvorwürfe uneingeschränkt zu unterstützen. Andernfalls drohen Dahomey Sanktionen in Form einer Abschaltung von Matrixverbindungen in sensiblen Bereichen aus Wirtschaft, Industrie und öffentlicher Infrastruktur. Ein Vorgehen, das von der Weltmatrixbehörde CCMA seit den Euro Wars nicht mehr durchgesetzt wurde. Aktienkurse von in Dahomey stark engagierten Unternehmen reagierten bereits empfindlich.

Miles Kane aus Moskuwa. Ich gebe zurück ins Studio.“