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Nachruf auf Katsuo Uzun

Es ist ein verregneter Septembertag an der Atlantikküste. Weiße Uniformen der Urnenträger und Salutschützen stehen im harten Kontrast zum Grau und Schwarz ringsum. Es ist der Hauptfriedhof der Association Internationale des Mercenaires in Finistère.

Nach japanischer Tradition wird die Urne des Katsuo Uzun in weiß gekleidet in die Steingrube hinabgesenkt. Während der Regen leise auf Schirme und Mützen prasselt hält vor gut zweihundert Anwesenden Jacqueline Walters, CEO der Association, den Nachruf:

„Major Katsuo Uzun hat in nur acht Jahren Dienstzeit an einer Sache niemals einen Zweifel gelassen: an seinem festen Glauben an die Ideale unserer Association. Er hat sie wie kaum ein anderer mit tiefem Ernst und mit Hingabe gelebt.“

Jacqueline Walters hebt den Blick kurz in die Ferne, als suche sie ein Lichtblick am wolkenverhangenen Himmel. Oder einen fernen Gedanken.

„Ich traf Katsuo Uzun das erste mal auf der Shigeruu, 2070. Es war eine zufällige Begegnung. Aber dennoch eine, die uns in Freundschaft rasch verband. Er hatte eine offenherzige Natur, die trotz des ernsten Geschäfts, der Hierarchie und der Professionalität unserer Arbeit doch auch immer die Menschen sah, mit denen er sich umgab.“

Eine Windbö reisst plötzlich am Regenschirm, der von einem General des Central Command über Jacqueline Walters gehalten wird. Der Schirm gibt nach, der General kämpft mit dem störrischen Stecken und winkt nach einem Ersatz. Jacqueline Walters spricht im Regen unbekümmert weiter:

„Es ist wie ein unlösbares Rätsel für uns, weshalb Katsuo Uzun heute zu Grabe getragen wird, wenige Tage, nachdem auch die CASS Shigeruu ihren Frieden fand. Ich sehe darin eine Erinnerung daran, das nichts für Dauer ist.“

„Nur wenige hundert Meter trennten den Ort des Anschlags von meinem eigenen Büro. Viele von euch waren viel näher, als Major Katsuo Uzun starb. Er starb durch einen Akt des Hinterhalts.“

Sie macht eine Pause und sieht über die formlosen Gesichter der Anwesenden sowie auch in die Kamera.

„In der jungen Geschichte von AIM, die Major Katsuo Uzun fast die gesamte Zeit begleitet hat, hat es nicht solch eine Tat auf unserem Staatsgrund oder in Einrichtungen in Übersee gegeben. Und ich werde das nicht hinnehmen.“

Jacqueline Walters Gesichtsausdruck nimmt ungewohnt harte Züge an, bei der Frau, die eigentlich immer ein Lächeln und freundliche Worte findet.

„Eine bedingungslose Aufklärung der Hintergründe, der Schuldfrage und der Konsequenzen wird bereits vorangetrieben während wir heute seiner gedenken und uns verabschieden. Das sind wir Major Katsuo Uzun schuldig. Und wer ihn kannte der weiß, dass die Gründe für seinen Tod nur in seinem Dienst und seiner Arbeit für AIM gefunden werden können.“

Der General bekommt endlich einen neuen Schirm gereicht, ist jedoch geistesgegenwärtig genug den Moment nicht weiter zu stören. Er tritt vom Rednerpodest zurück.

„Major Katsuo Uzun war unter den ersten zehn Abgängern der AIM Senior Offricer School in 2066. Er ist der erste Abgänger dieser Schule überhaupt, den wir zu Grabe tragen müssen. Er hat sich für eine offene Reform vieler Doktrinen eingesetzt. Er hatte eine Vision, die ich mit ihm teile. Sie wird weiterleben. Denn mit Vision, Loyalität und Befehlstreue begleitete er AIM durch drei große Kampagnen und hat hervorragende Soldatinnen und Soldaten ausgebildet.“

Eine erneute Pause.

„Katsuo Uzun verblieb kinderlos und ohne Angehörige und lässt uns heute als seine Familie fassungslos und trauernd zurück.“

Jacqueline Walters tritt vom Rednerpult zurück und reiht sich in die Trauernden in Zivil ein. Salutschüsse hallen über den Strand von Finistère hinaus auf die See, wo die Sonne das Meer in der Ferne endlich küsst.

Memo, CEO

Eine aufgezeichnete Trideo-Botschaft erreicht Régicide, Norge, Zoé, Copper und Positive am 29. Dezember 2073, zwei Tage nach dem Ende der Operation Untamed Pride. Absender ist Jacqueline Walters, CEO von AIM. Die Aufnahme findet in einem modernen Büro statt. Sie sitzt an einem Schreibtisch aus Glas. Im Hintergrund eröffnet ein Panoramafenster den Blick auf den Atlantik hinter einem Vorhang aus wirbelnden Schneeflocken.

„Chief Miller, Captain Morellè, Sergeant Boucard, Sergeant Svenson, Sergeant Breslin – diese Nachricht ist für sie bestimmt.

Ich hoffe sie verzeihen mir, wenn ich mich direkt an sie wende. Normalerweise ist es nicht meine Art, mich in die Arbeit des hochgeschätzten Central Command einzubringen. Ich bin ohnehin nicht dazu geeignet zur hervorragenden Qualität unserer militärischen Arbeit beizutragen. Ihr vorgesetzter Offizier hat mich aber ermutigt, meinem Wunsch nach einem persönlichen Memo nachzukommen.

Vorweg möchte ich aus ganzem Herzen Master Sergeant Svenson eine schnelle und vollständige Genesung von seiner schweren Verletzung wünschen. Aber auch die anderen von ihnen haben harte Entbehrungen und Verletzungen hinnehmen müssen, die mitunter nicht spurlos an kämpfendem Personal vorüber gehen. Seien sie sich unserer unbedingten Unterstützung auf ihrem Weg der Erholung sicher.

Es ist schwer, glaubhafte Worte für die Dankbarkeit zu finden, die ihnen unsere Association schuldet. Nachdem ich über die strategischen Ergebnisse und auch einige taktische Schlaglichter ihrer Arbeit in Dahomey informiert wurde, erfüllte mich dies mit sehr großem Stolz. Sie haben weit über die erwartbaren Maßen hinaus einen Einsatzwillen gezeigt. Und mehr noch, sie haben den Mut gehabt, ihren persönlichen Idealen zu folgen, als sie sich abseits jeglicher Einsatzleitung unter widrigsten Umständen wiederfanden. Ideale, die zudem im Einklang mit den Idealen unseres Unternehmens stehen. Damit dies so geschehen konnte, mussten alle Teilbereiche von AIM hervorragende Arbeit leisten. Und damit meine ich bereits ihre Personalauswahl, die Grundsatzabteilung, das Policy Board, ihre Vorgesetzten, die ihnen jederzeit voll vertrauten, und natürlich sie selbst.

Die Kampagne AIM Matters war das strategische Kind unserer Afrika-Abteilung des Policy Board und ich denke ich kann mit Sicherheit sagen, dass die tadellose Zusammenarbeit von Miss Clark und ihnen im Feld, trotz aller Umstände, der Schlüssel dafür waren, dass die Association heute Dahomey dabei unterstützen darf, eine schwere Krisenzeit zu überwinden und gestärkt aus dem „zweiten Erwachen“ hervorzugehen.

Das Central Command wird seinen Weg finden, ihnen für ihre militärischen Taten zu danken. Und ich höre auch, dass das Services Department und Policy Board eine Bonuszahlung und Würdigung ihrer zivilen Heldentaten erwägt. Ich freue mich sehr für sie! Doch was bleibt mir dann noch zu tun, außer dankende Worte zu sprechen?

Ich denke nicht viel. Doch ich möchte gerne noch ein Versprechen ergänzen. Ich hoffe, sie bleiben unserer Association erhalten, denn ich setze mich dafür ein, dass Persönlichkeiten wie sie eine aufstrebende Zukunft in unserem Haus haben. Sie haben in ihren wenigen Dienstjahren für AIM bereits außerordentliches geleistet. Mir ist daran gelegen, dass sie ihren Weg gehen können, der uns gemeinsam weiter zur Verwirklichung unserer geteilten Ziele bringt.

Alles herzlich Gute wünsche ich ihnen aus einem verschneiten Finistère. Verbringen sie einen friedlichen und erholsamen Jahreswechsel.“

Seeblockade vor Dahomey

Dies ist ein Exklusivbeitrag aus der Corporate Court Embassy Teheran. Heute, am späten Nachmittag des 09. Oktober 2073, gab die Corporate Court Matrix Authority (CCMA) bekannt, dass man Sanktionen gegen das westafrikanische Dahomey anstrengen werde. Erwartet werden Blockaden ausgewählter Bereiche der Matrix sowie empfindliche Strafzahlungen für eine Verletzung der Zensurregularien des CCMA. Darüber hinaus hat sich aus dem Kreis der Afrikanische Union (AU) eine Allianz von Staaten zusammengefunden, die Dahomey eine Seeblockade angekündigt hat. Wir sprechen nun mit Jacqueline Walters, CEO der Association Internationale des Mercenaires (AIM). Ihr Unternehmen betreibt seit 2069 die maritimen Streitkräfte für Dahomey.

Alana Mourad: Miss Walters, sie haben heute Abend den Außenminister von Dahomey zu einer Anhörung hier in den CC Matrix Towers Teheran begleitet. Was können Sie uns sagen?

Jacqueline Walters: Die CCMA hat deutlich gemacht, dass sie die Einschränkungen des Seehandels an den afrikanischen Küsten nicht unterstützt und Seeblockaden als keine adäquate Reaktion auf Fristversäumnisse in Dahomey einschätzt.

AM: Dieses „Fristversäumnis“, wie sie es nennen, bezieht sich auf einen Verstoß gegen die internationalen Vereinbarungen gegen Matrixzensur. Demnach hat Dahomey nachweislich seit spätestens dem 27. September dieses Jahres in der Region um den Tawani-See, und später auch im ganzen Land, einen sogenannten Matrix Cencorship Host aktiviert. Ein unerhörtes Vorgehen, das streng geahndet wird und die Welt in Empörung versetzt. Immer mehr Hinweise verdichten sich, dass damit staatliche Gewaltakte gegen die Bevölkerung verschleiert werden sollen.

JW: Der Vorwurf der Verletzung von Völkerrecht ist von Seiten Nigerias und unbestätigten Quellen erhoben worden. Eindeutige Beweise liegen nicht vor. Insofern können die „Hinweise“ nicht adäquat eingeordnet werden. AIM steht zu seinen Kunden und geht hier ganz klar von der Unschuldsvermutung aus. Nichtsdestotrotz drängen wir unseren Partner Dahomey zu einer umfangreichen und schnellen Aufklärung der Sachlage um den Tawani-See.

AM: Die Unschuldsvermutung mag zwar ein edler Grundsatz sein, aber warum verweigert sich Dahomey entgegen jeder ersichtlichen Vernunft einer Kooperation und lässt internationale Inspektoren nicht ins Land? Und das in Zeiten kommunaler Wahlen!? Warum wird ohne Sachbgeründung an der Matrixzensur festgehalten? Haben sie dem Außenminister diese Fragen nicht gestellt?

JW: Wir sehen hier als Sicherheitsdienstleister mit klar umgrenzten Ressort davon ab, uns in die Angelegenheiten des Landes einzumischen, bei denen wir keine Verantwortung übertragen bekommen haben. Die innere Sicherheit und der Grenzschutz sind nicht das Aufgabengebiet von AIM in Dahomey. Wir haben derzeit keinerlei Personal auf dem Festland im Einsatz und sind in keinster Weise in die Vorgänge am Tawani-See eingebunden.

AM: Denken sie nicht, dass…

JW: Wofür wir jedoch die volle Verantwortung übernehmen, ist die Sicherheit der Handelsströme entlang der Küstenlinien und in den Häfen Dahomeys. Die maritime Sicherheit betrifft Import- und Exportströme von globalen Ausmaßen und die wirtschaftlichen Interessen weltweit wären betroffen, wollte man eine militärische Isolierung der Seewege von und nach Dahomey ernstlich erwägen. Die Forderung eines Teils der Afrikanischen Union kann daher nur als eine opportunistische Provokation verstanden werden. Insbesondere, wenn man sich die Liste der Mitgliedsstaaten anschaut, die sich dieser Initiative angeschlossen haben. Wir sehen hier einen unverholenen Versuch, die Aktienstärke und die Attraktivität Dahomeys am Weltmarkt mit relativ plumper Methode zu schwächen – zum eigenen, vermeintlichen Wirtschaftsvorteil.

AM: Das heißt also, sie stehen für Dahomey im Falle einer Seeblockade ein, trotz eventueller innenpolitischer Desaster – bis hin zu Greueltaten? Wie können sie das mit dem hohen Anspruch, den ihr Unternehmen vorgibt, vereinbaren?

JW: Es wurden keine Greueltaten nachgewiesen und die Begründung der innenpolitischen – wie ich natürlich gesetehen muss: drastischen – Maßnahmen, stehen noch aus. Ich werde also unsere Partner in Dahomey nicht verurteilen. Vielmehr habe ich dem Außenminister gesagt, dass wir unsere volle Unterstützung anbieten, wenn es eine innenpolitische Lage gibt, derer Dahomey nicht Herr wird…

AM: Das bedeutet letztendlich doch, Miss Walters, dass sie nicht eingebunden sind, in das, was wirklich vorgeht, oder nicht? Sie haben keine Ahnung?

JW: Wie ich sagte, schützen wir den weltweiten Handelsstrom auf dem Seeweg von und zu Dahomey. Dies ist unsere operative Priorität. Wir können nicht in staatliche Angelegenheiten eingreifen, für die wir kein Mandat besitzen…

AM: Vierzehnhundert Verletzte, Miss Walters. Bei einer friedlichen Protestkundgebung vor der Matrix Authority in Moskuwa, benötigten vierzehnhundert Metamenschen ärztliche Hilfe, nachdem sie unter sengender Hitze in einer „Stummen Wacht“ bis in die Bewusstlosigkeit ausgeharrt hatten. Sie forderten eine Stellungnahme ihrer Regierung, doch Parlament und Regierung in Lome schwiegen. Die politische Opposition prangert an und fordert Aufklärung, doch konnte keinerlei demokratische Rechtsmittel zur Anwendung gebracht werden. Wie können sie das mit der Unschuldsvermutung vereinbaren?

JW: Ich habe dem Außenminister unsere Betroffenheit bezüglich dieses Vorfalls zum Ausdruck gebracht. Persönlich hat mich diese „Stumme Wacht“ sehr betroffen gemacht und ich empfinde größtes Mitgefühl für die Betroffenen. Dass der Protest friedlich verlief, dass er in den öffentlichen Medien berichtet wurde und es solide und schnelle, ärztliche Hilfe für alle Betroffenen gab, spricht für mich dafür, dass Dahomey an einer Lösung seiner Probleme arbeitet.

AM: Sie fürchten also nicht einen Rufverlust? AIM als Schutzmacht eines Unrechtstaates? Sehen sie nicht die Gefahr, dass es sich so entwickeln könnte?

JW: Die jüngere Geschichte Dahomeys ist für mich ein sehr starker Beleg dafür, dass dieses Land, ihre Bevökerung und ihre Politik einen Vertrauensvorschuss verdienen. Wir sprechen über eines der fortschrittlichsten und demokratischsten Länder der Welt. Ich bin überzeugt, dass sich diese Krise überwinden lassen wird.

AM: Wo wäre für sie der Punkt, an dem sie sich von Dahomey abwenden würden? Würden sie die Sicherheitsdienstleistungen beenden, wenn es in Dahomey zu Gewaltakten gegen die eigene Bevölkerung gekommen ist?

JW: Auf diese hypothetische Frage werde ich nicht antworten. Wir haben unseren Partnern unsere Hilfe angeboten und stehen loyal in Sachen Handelsfreiheit zur Seite.

Alana Mourad für den Pan-Asian Observer, Corporate Court Embassy Teheran

Pazifikkonflikt beendet

Wir berichten life aus Hong Kong. Vor nicht ganz zwei Stunden traten Vertreter aller Parteien im Pazifikkonflikt gemeinsam vor laufende Kameras und haben überraschend einen Durchbruch in den Friedensverhandlungen verkündet. Ab Mitternacht werden alle kriegerischen Handlungen sowie Reisebeschränkungen, Sanktionen und Strafzölle zwischen dem Japanischen Consortium und der Cantonesischen Allianz aufgehoben. Dieser verblüffende Schritt macht seitdem die Runde um die Welt. Die Blockade der Schiffahrtswege am Chinesischen Meer, die großzügigen Flugverbotszonen über den Arcologies der Yutani Corporation und die Ausreisesperre für japanische Konzernangehörige in Beijing wurden bereits aufgehoben. Wir sprachen eben mit Jacqueline Walters, CEO der Association Internationale des Mercenaires, die eine der Konfliktparteien in der Verkündung vertrat.

Perry Anderson (PA): Miss Walters, vielen Dank für die Gelegenheit zu einem exklusiven Gespräch.

Jacqueline Walters (JW): Sehr gerne.

PA: Es ist unglaublich. Vor etwa 18 Monaten hatten wir Gelegenheit anlässlich der Konferenz für Rohstoffhandel im Pazifikraum zu sprechen. Damals haben sie von der Piorität der Friedenssicherung bei Ressourcenkonflikten gesprochen und ihr Unternehmen in den Dienst der Ansprüche Japans gestellt. Haben sie damals geahnt, dass es zu einem militärischen Schlagabtausch diesen Ausmaßes kommen würde?

JW: Die militärische Führung von AIM, der wir viele vorausschauende Manöver und einen kühlen Kopf in diesem Konflikt verdanken, hat mit diesem Szenario kalkuliert. Ich persönlich habe damals nicht an eine solche Eskalation glauben wollen, nein.

PA: War es die Sache wert?

JW: Ich glaube, es wäre viel Leid vermeidbar gewesen, aber die politische und historische Situation hat uns die militärische Eskalation leider nicht erspart.

PA: Hat AIM also in ihrem Anspruch auf Friedenssicherung versagt?

JW: Nein. Wir haben stets die Minimierung von Verlusten verfolgt und unablässlich auf einen raschen Friedensschluss gedrängt. Die Tatsache, dass die Welt heute vom Ende des Pazifikkonflikts überrascht worden ist zeigt ja, dass wir entgegen pessimistischen Prophezeihungen hart und sehr diskret verhandelt haben.

PA: Welche Rolle spielt AIM bei diesem Friedensschluss also?

JW: Wir haben der chinesischen Aggression militärischen Ausgleich entgegengehalten und eine faire Verhandlungsführung ersteinmal sinnvoll und möglich gemacht. Unsere Partner haben uns außerdem in politischen Belangen allzeit konsultiert und wir haben durch unsere spezielle Expertise Schlüsselerfolge gesichert.

PA: Sie sprechen von der Befreiung von Frederic Denton aus chinesischer Gefangenschaft in Kapstadt?

JW: Das war sicherlich ein wichtiger Beitrag, ja. Letztlich war es aber die Beharrlichkeit der Verhandlungen, die uns zum Erfolg brachten.

PA: Können sie etwas mehr dazu sagen, worin der politische Sinneswandel der COC begründet liegt? Ein militärischer Sieg war es ja nicht!

JW: Frederic Denton hat uns mit seinen Zeugenaussagen dabei geholfen, die Sorgen der kantonesischen Partner besser zu verstehen. Das indonesische Außenministerium hat daraufhin einen klugen und fairen 5-Jahresplan vorgelegt, der es allen Pazifikstaaten erlaubt, von den Entdeckungen und Forschungserträgen der Yutani Corporation zu profitieren. Der Corporate Court hat ja angemahnt, dass ein globaler Interessenausgleich in Bezug auf natürliche Ressourcen wichtig ist, man dabei das Vorrecht der Entdeckung, des Patents und der Urheberschaft nicht ignorieren darf. Und das liegt bei der Yutani Corporation. Daher hat auch deren Politikwandel und die damit einhergehende Öffnung des Zugangs zu Etusan III und dessen Forschungserträgen dazu beigetragen, dass die COC neues Vertrauen schöpfen konnte. Uns alle eint letztlich der Wunsch nach Wachstum, Frieden und eine gemeinsam gestaltete Zukunft. Schlussendlich sind wir daher auch zuversichtlich, dass der Corporate Court der regionalen Unternehmensvereinbarungen nach Vorlage Indonesiens zustimmen wird.

PA: Wie wird es für AIM nun weitergehen?

JW: Wir haben ausgeharrt, an die Diplomatie geglaubt, militärisch entschlossen reagiert und auch Verluste erlitten. Wir werden unsere Bewegungen im Pazifikraum nun mit den chinesischen Partnern abstimmen und die Mobilisierung zurückfahren. Das gilt insbesondere für Mikronesien und Avar, für die AIM maßgeblich die militärische Logistik verwaltet hat. Die Task Force Blue Shark wird voraussichtlich im Juli aufgelöst werden.

PA: Sie machen also ernst mit dem Frieden.

JW: Selbstverständlich. Im weiteren Verlauf haben wir mit der Yutani Corporation vereinbart, dass wir die Anlagensicherheit für Etusan III weltweit prüfen und in Zukunft nach unseren Kapazitäten übernehmen werden. Das betrifft alle klassischen Servicebereiche: Betriebssicherheit, Sabotage- und Spionageabwehr sowie Arbeitsschutz.

PA: Eine Art Belohnung für gute Dienste?

JW: Eher nüchterne Sachgründe und ganzheitliches Denken. Im Zuge des Pazifikkonflikts hat AIM sich intensiv mit Etusan III, dessen Risiken und den Herausforderungen eines angemessenen Risikomanagements beschäftigen müssen. Zentrale Anlagen wurden durch unser Personal besichtigt und auf Sicherheitsdefizite hin untersucht. Wir wollen das sehr gute Vertrauensverhältnis zwischen AIM und der Yutani Corporation auch in Zukunft ausbauen.

PA: Ich verstehe. Es ist wohl nachvollziehbar, dass die Pazifikkrise zusammengeschweißt hat. Man wird abwarten müssen, ob es bei der Yutani Corporation weiterhin bei einer stabilen und konsistenten Politik bleibt, immerhin steht mit der jungen Miss Yutani Veränderung ins Haus. – Viele internationale Unternehmen werden AIM nach dieser schlagkräftigen Zurschaustellung militärischer Gewalt in den nächsten Monaten sehr genau beobachten. Wo wendet sich AIM, wo wenden sie sich als nächstes hin? Wird dort dann der nächste Brand ausbrechen?

JW: (lacht) Meine Dienstreisen sind zu 99% Vorboten von Friedensbemühungen und Rechtsschutz. Ich denke nicht, dass man aus meinem Arbeitskalender auf globale Krisen schließen sollte, nein. Der Pazifikkonflikt war in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme. Das Regelgeschäft von AIM findet weltweit, jeden einzelnen Tag statt. Jenseits der schillernden Schiffe der AIM Flotte tragen tausende von Metamenschen den Schmetterling mit Stolz auf der Arbeit in Büros, Fabriken und öffentlichen Einrichtungen. Sie gehören ebenso zum Rückgrat unseres Unternehmens.

PA: Dann bedanke ich mich für das interessante Gespräch und ihre wertvolle Zeit. Ich wünsche ihnen viel Erfolg bei der Abwicklung des anbrechenden Friedens im Pazifik.

JW: Ich danke ihnen sehr herzlich. Danke.

Washington Post, 07. April 2073

Der Krieg der anderen

Anlässlich der grade in Tokyo stattfindenden Konferenz für Rohstoffhandel im Pazifikraum hatte Perry Anderson (Washington Post) Gelegenheit zu einem persönlichen Interview mit Ms. Jacqueline Walters, CEO der Association Internationale des Mercenaires. Mit freundlicher Genehmigung dürfen wir Ausschnitte daraus an dieser Stelle bereits veröffentlichen.

Perry Anderson (PA): Miss Walters, vielen Dank für das spontane Gespräch. Die Konferenz erleben Sie als fordernd?

Jacqueline Walters (JW): Sehr gerne. – Die Konferenz ist groß und stellt wichtige Weichen, ja, aber eine kleine Auszeit für ein Gespräch ohne Trubel ist eine Erholung.

PA: Schön. Dann komme ich auch gleich mit den großen Geschützen: Ihre Anwesenheit wird von vielen nach wie vor mit Krieg und Konflikt in Verbindung gebracht. AIM steht wie kaum jemand sonst für die Privatisierung von Krieg. Was sagen Sie den Konferenzteilnehmern hier, wenn man Ihnen erklärt, dass man AIMs Dienste hier ganz und gar nicht braucht?

JQ: (lacht) Ja, also das sagt so eigentlich niemand. Aber ich greife Ihren Richtungswink gerne auf. Ich denke den meisten hier ist sehr wohl bewusst, dass sich die Aufgaben und Arbeitsweisen privater Sicherheits- und Militärdienstleister gewandelt haben und das unsere Anwesenheit hier keine Drohung ist, sondern eine Stütze für die komplexen Verhandlungen zwischen so vielen Parteien.

PA: Wie stützen Sie da?

JW: Sehen Sie, moderne Sicherheits- und Militärunternehmen werden durch den Begriff „Söldner“ nicht mehr hinreichend beschrieben. Das Motiv individuell orientierter, persönlicher Bereicherung durch unmittelbare Beteiligung an Kriegshandlungen wurde schon vor fast 70 Jahren durch zunehmend unternehmerische Strukturen ersetzt.Unser typischer Mitarbeiter ist kein geldgieriger Gewaltmensch mehr. Er ist Teil eines Unternehmens, Teil einer Organisation die ihn stützt, und Teil einer klaren Verpflichtung auf konstruktive Konfliktlösung. Wenn Sie mich also fragen, was AIM hier auf der Ressourcenkonferenz stützt, dann ist es die Aussicht mit den Konflikten die kommen werden, gut und produktiv umzugehen. Das private Sicherheitswesen hat sich letztlich auch nur als Reaktion auf gewandelte Sicherheitsbedürfnisse verändert.

PA: Was hat sich da Ihrer Ansicht nach geändert?

JW: Ich bleibe, wenn Sie erlauben, lieber in der aktuellen Zeit und spare mir historische Rückgriffe. Das ist vorbei. Was sehen Sie heute, wenn es irgendwo zu Krisenherden kommt? Ein völliges durcheinander. Kaum jemand kann klare Grenzen ziehen oder Parteien definieren. Zivilisten und Kombatanten wechseln ihre Rollen nach Tageszeit, nach Blickwinkel oder Notlagen. Verantwortliche verstecken sich hinter schwer zu erkennenden, subtilen Angriffsakten und so weiter. – Der letzte große Krieg der Nationen ist dreißig Jahre her. Und auch damals waren die Euro-Wars schon nicht mehr eindeutig klar strukturiert. Ich erinnere an den Nightwraith-Zwischenfall 2033 oder an die merkwürdigen Ereignisse um die CASS Shigeruu im Jahr 2040. Massive Vorfälle, ohne klares Gesicht.

Genausowenig können Sie heute unterscheiden, ob ein Sicherheitsunternehmen zivil oder militärisch arbeitet. Denn das weiß man erst, wenn man sich den Aufgaben stellt und sich ein Szenario entwickelt. Und das liegt nicht an schlechter Planung, sondern an der Natur gegenwärtiger Konflikte und Krisen. Nehmen Sie zum Beispiel einen einfachen Wachschutzdienst, zum Beispiel ein Geleit für einen Konvoi durch ein Kriegsgebiet. Unser Personal trägt Waffen, das parlamentarische Mandat verpflichtet sie aber dazu, diese Waffen nur zum Selbstschutz einzusetzen. Als Kommandat der Klientennation sind sie also vorsichtig und setzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur für risikogeringe Konvois ein. Nun kann es jederzeit aus der lokalen Bevölkerung heraus zu massiven Angriffen kommen. Wir haben das zuletzt auf Sumatra gesehen. Plötzlich ist die zivile Wachschutzabteilung direkt mit entschlossenen, lokal verwurzelten Kombatanten konfrontiert. Sie ist gezwungen militärisch vorzugehen. Es gab Fälle, in denen hat man solche Konvois absichtlich durch Hochrisikogebiete gelenkt, damit die Selbstschutzklausel unwirksam wurde. Diese Einfalltore für Korruption und Mandatsbruch sind schrecklich. Die Philosophie von AIM ist es, dieser Realität ins Auge zu sehen. Man kann Verantwortung übernehmen, mit sanfter Ruhe und notwendiger Härte zugleich durchgreifen. Die Grundlage dafür ist ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen den Sicherheitsdienstleistern, den Unternehmen und Nationen und der Bevölkerung. Auf dieses Vertrauensverhältnis baut AIM ihre Dienstleistungen auf.

PA: Was bedeutet das für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

JW: Es ist eine Herausforderung, die durch Aufklärung, Ausbildung und Koordination aber zu bewältigen ist. Überwiegend haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen zivilen Status, dürfen sich also nur selbst verteidigen. Sie sind zudem an das Völkerrecht und Interventionsrecht gebunden. Im Falle manifester Gewaltkonflikte die auf AIMs militärischen Arm als regulierende Machtinstanz angewiesen sind ist die Sachlage etwas anders gelagert, aber das Grundproblem bleibt: Sie können zivile und militärische Handlungsfelder heute nicht mehr trennen.

PA: Warum dann AIM? Könnten nicht die Pazifikpartner hier auf der Konferenz selbst für das Problem sorgen?

JW: Sie können! Und sie wollen es auch. Aber es gibt erdrückende Gründe für unsere Unentbehrlichkeit. Wir füllen gezielt die Kapazitätslücken staatlicher Militärapparate, wir gleichen Personalmangel aus, in Zeiten fast verschwundener stehender Heere, und durch die Technisierung der Kriegsführung brauchen Sie heute bei plötzlichem Bedarf sofort Spezialistinnen vor Ort – seien es Magier, Matrix-Operatoren oder Datenanalysten. Außerdem, das kann ich um diese Uhrzeit wohl anfügen, reduziert der Einsatz eines privaten Sicherheitsdienstleisters die „politischen Kosten“ im eigenen Land. Es ist etwas bitter, aber niemand möchte heute eine Gesellschaft militarisieren und niemand möchte seine Bürger mit Ehren begraben müssen. Es gibt niemanden der in dieser Hinsicht effizienter ist als AIM. Keine Armee und kein anderer Sicherheitsdienstleister weltweit schützt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz besser.

PA: Also AIM als rationale Alternative?

JW: Leider ja. Denn ich wiederhole nochmal, – es wird nämlich immer wieder gerne vergessen – dass unsere erste Agenda lautet, Konflikte konstruktiv zu lösen. Wir distanzieren uns ganz klar von Kriegstreiberei, kriegsverlängernden Maßnahmen oder Seilschaften mit der Rüstungsindustrie. Sie werden die großen Rüstungskonzerne bei uns nur als Kunden finden, nicht als Stakeholder.

[…]

 

PA: Was geben Sie den asiatischen und amerikanischen Konferenzteilnehmer hier also mit?

JW: Ressourcenkonflikte der Kragenweite, wie man sie hier verhandelt, sind extrem folgenschwer und es wird nicht ohne Reibereien gehen,  innerstaatliche und zwischenstaatliche. Wenn AIM effektiv helfen können soll, dann müssen die Akteure eine demokratische Kontrolle ihres Konfliktverhaltens sicherstellen. Wir öffnen uns dem, aber jeder Kunde muss einen ehrlichen und offenen Weg finden den gewählten Weg in der politischen Öffentlichkeit seines Unternehmens oder Landes abzustimmen. Korruption, Gewaltexzesse, Menschenrechtsverstöße und unehrliche, kurzsichtige Lösungen sind tödlich für jeden Mediations- oder Friedensprozess. Wir zeigen hier unseren Kunden Wege auf, aber wir können den Exekutivverantwortlichen die eigenen Entscheidungen nicht abnehmen.

PA: Sagen Sie dies den Partnern hier vor Ort dann auch so? (lacht)

JW: Ich versuche es! Auch wenn es oft verlockend ist in Detailfragen zu flüchten. Ich wünsche mir manchmal, dass mehr Partner so unverschämt den Finger auf wunde Punkte legen würden wie Sie, Mr. Anderson. Die großen Fragen da oben spüren die Menschen ganz unten am heftigsten.

PA: Oh, dann bin ich ja froh, dass Sie milde mit mir ins Gericht gehen! Ich bedanke mich jedenfalls sehr herzlich für das Gespräch, Ms. Walters, und wünsche Ihnen eine angenehme Nacht und eine erfolgreiche Konferenz.

JW: Ich habe zu danken.

 

Die ungekürzte Fassung wird am 27. November 2071 in den Medien der Washington Post veröffentlicht.

25. November 2071

Umstrukturierung abgeschlossen

Nach zähen Monaten ist es gelungen! Die Association Internationale des Mercenaires (AIM) hat erfolgreich ihre neue Hauptniederlassung an der Atlantikküste Frankreichs bezogen und das operative Geschäft wieder voll aufgenommen. AIM ist wieder bereit ihr Gewicht in die Waagschalen auf dem Kontinent und Übersee zu werfen.

Die französische Regierungsverfügung 1192-2070 trat am 1. Januar 2071 in Kraft. Der 10 km lange Küstenstreifen in der Provinz Finistère ist damit offiziell ein exterritoriales, autonomes Gebiet nach Internationalem Unternehmensrecht. Alle Hoheitsrechte liegen bei AIM. Dies ging am Neujahrstag mit der feierlichen Verleihung der AIM-SIN an alle vollwertigen Beschäftigten und deren Familien einher.

Zu diesem Anlass waren Würdenträger, Politiker und ranghohe Vertreter verlässlicher Partner aus der ganzen Welt angereist. Zahlreiche Medien berichteten und auch die Matrix-Präsenz wurde offiziell freigegeben. Entlang des Küstenstreifens ankerten die Fregatten AIMS Cassiopeia, AIMS Deterrance und der Hubschrauberträger AIMS Bee Hive. Die Zuschauer konnten der Demonstration von Seenotrettung, Landemanöver und Verletztenbergung im Rahmen einer Katastrophenübung beiwohnen.

Ms. Jacqueline Walters empfing als Chief Executive Officer zur Eröffnungsrede den vollständigen Aufsichtsrat der mit einem VTOL Schwenkflügler und einer Eskorte aus vier Kampfflugzeugen eingeflogen wurde. Die radikalen Neuerungen der Unternehmensstruktur, operativen Richtlinien und humnaitären Selbstverpflichtungen von AIM wurden ausführlich im Rahmen der Feierlichkeit dargelegt. Der angereiste Präsident der Französischen Republik, Aurélie de Paladines, lobte den verantwortungsvollen und wertvollen Aufbau der Exklave 1192-2070. Er betonte ebenso die engen Bande zwischen seiner Administration und AIM in Fragen der Interventionspolitik und sah in AIM einen wichtigen Partner für internationale Unternehmen und Interessengruppen die sich in zunehmend bedrohlichen Szenarien in ihren Zielen oder gar ihrer schieren Existenz bedroht sähen. AIM sei hier ein starker Arm und eine starke Stimme für Minderheiteninteressen und globale Aufgaben. Auch hob er AIMs Engagement im Bereich des Klima- und Umweltschutzes hervor. Ein Bucho (部長) der Yutani Corporation erläuterte Pläne für gemeinsame Material- und Umweltforschung im zentralen Pazifik, bei denen AIM als strategischer Partner die Risikoabschätzung und Krisenprävention verantwortet.

Die Feierlichkeiten endeten mit einer Überleitung in eine Karrieremesse die sich an Interessierte aus der ganzen Welt richtete.

5. Januar 2071